Die Heimat übersetzter tibetisch-buddhistischer Texte
ISSN 2753-4812
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Autobiografie von Longchen Rabjam

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Autobiografie von Longchen Rabjam[1]

aus der Juwelen-Rosenkranz-Überlieferung

Ich wurde im Hochtal von Dra in Yoru als Sohn von Lobpön Tenpa Sung und Droza Sönam Gyen geboren. Von klein auf besaß ich großes Vertrauen, Mitgefühl und Intelligenz. Es gab Anzeichen dafür, dass Namdru Remati [mir] ganz persönlich Schutz gewährte; sie erschien sogar in physischer Gestalt. Mit sieben Jahren konnte ich lesen und war mit den Sādhana-Praktiken von Kīlaya, Guru Rinpoche und der Sugata-Versammlung vertraut. Dadurch hatte ich bis zum Alter von neun Jahren eine gewisse Erkenntnis erlangt.

Mit zwölf Jahren empfing ich von Khenpo Samdrup Rinchen und Lobpön Künga Özer die Novizen-Ordination. Ich studierte den Vinaya und konnte ihn [bereits] im Alter von vierzehn Jahren erklären. Im Alter von sechzehn Jahren erhielt ich Einweihungen, Anleitungen und Unterweisungen von Lobpön Tashi Rinchen zu Themen wie Lamdre, Sechs Yogas, Sechs Dharmas von Vārāhī, Ghaṇṭāpādas Tradition von Cakrasaṃvara und Mahācakra Vajrapāṇi. Von Lobpön Wang-ye[2] erhielt ich Anleitungen zu mehreren Kategorien der geheimen Mantra-Sādhanas. Von Zalung Rinpoche erhielt ich die Anleitungen von Zhang Tsalpa, Götsangpas Anleitungen zum Pfad und viele andere Belehrungen, einschließlich jener über Chöd und Zhije.

Mit neunzehn Jahren ging ich nach Sangphu, wo ich das Fahrzeug der Merkmale einschließlich der Abhandlungen von Maitreya und der gültigen Erkenntnis (pramāṇa) studierte. Sechs Jahre lang studierte ich intensiv mit dem großen Lehrer Labrangpa Chöpal Gyaltsen, dem zweiten Dharmakīrti[3] und anderen. Von dem großen Lehrer Tsengönpa erhielt ich Unterweisungen zu den Sieben Abhandlungen über gültige Erkenntnis, zum Herz Sūtra sowie zahlreiche kleinere Übertragungen in Verbindung mit Tārā und vieles mehr. Vom Lotsāwa Lo-Ten[4] erhielt ich zahlreiche kleinere Übertragungen, unter anderem die der fünf tiefgründigen Sūtras, wie König des Samādhi, und den umfangreichen Kommentar zum Herz-Sūtra.

Um meine Intelligenz zu steigern, widmete ich mich von Zeit zu Zeit der Praxis von Gottheiten wie Acala, Sarasvatī und Prajñālokakṛtya[5]. Als Ergebnis davon offenbarten sich in meinen Träumen einige Anzeichen von Verwirklichung und ich erlangte einen Funken von Verständnis hinsichtlich Schriften, Logik, Kernanweisungen und Dichtkunst. Dann durchstreifte ich verschiedene Orte und erhielt von mehreren Lehrern Belehrungen über Sūtras, Tantras und die Kernanweisungen und verfeinerte mein Verständnis durch Studium und Kontemplation.

Von Lobpön Zhönnu Döndrup erhielt ich mehrere Belehrungen unter anderem über das Sūtra der Sammlung von Intentionen, das Netz der magischen Illusion und die Geist-Serie. Die gesamte Sammlung von Ārya Nāgārjunas Werken, einschließlich Die Wurzelverse des mittleren Weges, Einführung in den mittleren Weg und so weiter erhielt ich von Lobpön Zhönnu Gyalpo. Von Lobpön Zhönnu Dorje erhielt ich die Bodhicaryāvatāra, das Kompendium der Schulungen (Śikṣāsamuccaya) und mehrere mündliche Übertragungen, einschließlich der Sechsfachen Vereinigung und der Sechs Yogas aus Jowo Atiśas Tradition. Von einem Khenpo erhielt ich viele weitere Unterweisungen, wie Trophus Belehrungssammlung, Kharaks Belehrungssammlung, den Ozean von Sādhanas, Hundert kleinere Dharmas und Vinaya-Schriften. Ich studierte mit dem edlen Guru und Dharma-Regenten Karmapa den Sechsgliedrigen Yoga einschließlich der Auslöschung von Hindernissen, die Sechs Yogas von Nāropa, die Direkte Einführung in die Drei Kāyas, Großer Mitfühlender Jinasāgara, die Tradition des Königs des Großen Mitfühlenden und mehr. Zusätzlich erhielt ich zahlreiche Belehrungen zum Sechsgliedrigen Yoga, zu Annäherung und Vollendung und zur Wind-Energie (lung) von Lobpön Wangtsul und praktizierte sie ohne eine bestimmte Reihenfolge.

Als ich in Chokla fünf Monate lang in einer Felsenhöhle in Dunkelheit verbrachte, fand ich mich eines Morgens in einem Traum in einem tiefen Tal mit sandigem Boden, kleinen Hügeln und Wasserfällen wieder. Ich vernahm die Klänge von Zimbeln, die von Gesang begleitet wurden und erblickte ein Pferd, das mit Glocken geschmückt war. Seine Reiterin war ein sechzehnjähriges Mädchen, in Seide gekleidet und geschmückt mit Gold und Türkis, ihr Antlitz hinter einem goldenen Schleier verhüllt. Ich ergriff die Zügel und bat: „Edle Gebieterin, nimm dich meiner an!" Daraufhin nahm sie ihr juwelenbesetztes Diadem ab und platzierte es auf meinem Haupt. Sie sprach: „Von jetzt an werde ich dir unablässig Segnungen und Errungenschaften gewähren." Sobald sie dies sagte, sank ich physisch und mental in seliges, klares, nicht begriffliches Samādhi. Erst nach langer Zeit erwachte ich wieder. Selbst nachdem ich bei Sonnenaufgang aufgewacht war, hielt die Erfahrung noch drei volle Tage an.

Dann, im Frühjahr, traf ich in Samye den edlen Guru [das heißt Kumārādza], der im Hochland von Yartökyam weilte. Er sprach: „Letzte Nacht träumte ich von einem wunderbaren Vogel göttlicher Herkunft, das war ein Hinweis auf dich.“ Wie es scheint, ist ein Halter dieser Überlieferungslinie eingetroffen. Ich muss dir die Anweisungen im vollen Umfang gewähren." Er war überglücklich.

In diesem Frühjahr zogen wir neunmal von einem trostlosen Tal zum anderen. Der fortwährende Umzug unseres Lagers bedeutete extreme Entbehrungen für Körper und Sprache. Zwei Monate ernährte ich mich von nur zwei Maß Gerstenmehl und einundzwanzig Quecksilberpillen. Wann immer Schnee fiel, zog ich mir den Sack über, der mir als Mantel und auch als Sitzunterlage diente. Ich leistete den Schwur, zum Wohle des Dharmas drei Jahre lang solche Entbehrungen auf mich zu nehmen. Ich meditierte in Einsiedeleien an Orten wie Chimphu und ging gelegentlich zu meinem Guru, um mein Verständnis der Unterweisungen zu klären und ihm meine Praxis als Opfergabe darzubringen, was ihn erfreute. Ich hatte keinerlei Anhaftung an die Erscheinungen dieses Lebens und war frei von der Falle des Festhaltens an Hoffnung und Furcht angesichts Saṃsāra und Nirvāṇa. Durch die Sicht der grundlegenden Natur der Großen Vollkommenheit und das ununterbrochene Verweilen in Samādhi hatte ich mich zumindest auf den Weg zur Befreiung gemacht. Vor allem durch das Wirken von vergangenem Karma und Bestreben erreichte ich den Retreat-Ort Selbstentstandener Padma, Tibets fünfzackigen Berg,[6] wo ich für einige Schüler mit entsprechendem Karma und Glück den ausgezeichneten Pfad der Strahlenden Vajra-Essenz erhellte.

Ich habe die positive Bestrebung, Tag und Nacht für das Wohl anderer zu wirken; ich habe in Gegenwart des edlen Gurus fünfmal Opfergaben dargebracht, die vollkommen unverfälscht durch die drei begrifflichen Sphären waren; und ich bewahre die Tradition des Darbringens an die Vīras und Ḍākinīs am zehnten und achten Tag eines jeden Monats, wodurch alle mit Vertrauen dargebrachten Opfergaben bedeutungsvoll werden. Was auch immer ich tue, das bloße Spiel von illusorischen Phänomenen und Wahrnehmung, ist in Übereinstimmung mit dem edlen Dharma. Um sicherzugehen, dass die authentischen Anweisungen nicht missverstanden werden, habe ich die Kernanweisungen in zahlreichen Texten dargelegt, damit sie leicht verständlich und in die Praxis umzusetzen sind. Insbesonders habe ich die Anleitung zur Quintessenz des Gurus, Wünscherfüllendes Juwel (Lama Yangtik) in einer Serie von fünfunddreißig Belehrungen niedergeschrieben und sie mit einem Wunschgebet zum Wohl zukünftiger Generationen versiegelt.

Mögen jene, die in der Zukunft meinem Beispiel folgen, sich von den Angelegenheiten dieses Lebens abwenden, Verantwortung für die Zukunft übernehmen, einem wahren spirituellen Lehrer folgen, die Unterweisungen der Strahlenden Essenz empfangen und die Unterweisungen der Geheimen Herzessenz an einem abgelegenen Ort in die Praxis umsetzen. Mögen sie auf diese Weise in einer einzigen Lebenszeit Saṃsāra und Nirvāṇa überschreiten und, wenn sich prophetische Hinweise zeigen, so viel wie nur möglich zum Wohle der anderen wirken. Mögen sie allen Formen von Undankbarkeit und Überdruss standhalten und die Unterweisungen in allen Richtungen verbreiten.


| Englische Übersetzung: Adam Pearcey, mit großzügiger Unterstützung der Tsadra-Stiftung, 2024. Deutsche Übersetzung Daniel Dastagir, Frühling 2024 (in Erinnerung an die magischen Klänge des Großen Meisters im Maya-Land Mérida). Herzlichen Dank an Erika Bachhuber für die Mitarbeit und das Lektorat.


Bibliografie

Tibetische Ausgabe

klong chen rab 'byams pa dri med 'od zer. „lo rgyus rin po che'i phreng ba" in snying thig ya bzhi. 13 Bände. Delhi: Sherab Gyaltsen Lama, 1975. Band 1: 127-133 (3,5 Folios).

Sekundärquellen

Arguillère, Stéphane. Profusion de la vaste sphere: Klong-chen rab-'byams (Tibet, 1308-1364). Sa vie, son œuvre, sa doctrine. Leuven: Peeters Publishers, 2007.

Dorji Wangchuk. "Cross-Referential Clues for a Relative Chronology of Klong chen pa’s Works". In Orna Almogi (ed.), Contributions to Tibetan Buddhist Literature. Proceedings of the Eleventh Seminar of the International Association for Tibetan Studies, Königswinter, 2006. (Beiträge zur Zentralasienforschung. Halle: Internationales Institut für tibetische und buddhistische Studien), 2008, S. 195-244

Ford, Renée. "Longchenpa Drime Wozer", Treasury of Lives, aufgerufen am 23. Januar 2024, https://treasuryoflives.org/biographies/view/Longchenpa-Drime-Wozer/2882.

Nyoshul Khenpo. A Marvelous Garland of Rare Gems. Übersetzt von Richard Barron. Junction City, California: Padma Publication, 2005.

Tsumagari, Shinichi. Meaningful to Behold: A Critical Edition and Annotated Translation of Longchenpa’s Biography. Create Space, 2016.

Tulku Thondup. Masters of Meditation and Miracles: The Longchen Nyingthig Lineage of Tibetan Buddhism. Boston: Shambhala, 1996.


Version: 1.0-20240417


  1. Das Original hat keinen Titel; dieser Titel wurde in der englischen Fassung vom Übersetzer hinzugefügt.  ↩

  2. Abkürzung für Wangchuk Yeshe (dbang phyug ye shes).  ↩

  3. In anderen Quellen heißt es, dass es sich beim zweiten Dharmakīrti um Zhönnu Rinchen (gzhon nu rin chen) handelt.  ↩

  4. Abkürzung für Lodrö Tenpa (blo gros brtan pa).  ↩

  5. Eine Erscheinung von Vajravārāhī.  ↩

  6. Der Ort des selbstenstandenen Padma ist ein Hinweis auf Samye Chimphu, das Longchenpa hier mit Wutai Shan vergleicht, dem Berg in China, der mit Mañjuśrī und Vimalamitra in Verbindung gebracht wird.  ↩

Longchen Rabjam

Longchen Rabjam

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