Die Heimat übersetzter tibetisch-buddhistischer Texte
ISSN 2753-4812
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Yeshe Kuchokma – Kommentar

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Botschaft für Mantrikas: Den Ozean der Samayas erhellen

Ein Kommentar zum vierten Kapitel des Tantras des makellosen Bekenntnisses

von Jigme Lingpa

Verehrung dem glorreichen Vajra-Halter!

Der unveränderliche Raum, der Vajrakāya,
ist allzeit das Antlitz Samantabhadras.
Frei von jeglicher Essenz, ist er der Weisheits-Kāya:
Dem Bodhicitta der großen Glückseligkeit erweise ich Verehrung!

Das Tantra des rasenden Elefanten, eines der berühmten achtzehn großen Tantras, die für den Dharma-König Lungten Dorje[1] herabregneten, wird so genannt, weil gewöhnliche Wesen, wenn ihre Windenergien in ihre [jeweiligen] Kanäle geraten, verrückt werden, in dem Sinne, dass sie die Realität nicht erkennen, [was der Fall wäre, wenn sich] der Windgeist im Zentralkanal sammelt, und sie das Bewusstsein verlieren. Auch hier, in den kostbaren unübertrefflichen Tantras, stützen wir uns nicht auf bloße relative Worte, sondern in erster Linie auf die Bedeutung der nicht konzeptuellen Dharmatā. So wird der folgende Kommentar zum Letztendlichen unaussprechlichen Bekenntnis die Bedeutung des vierten Kapitels des Bekenntnis-Tantras klären.

Oṃ. Das natürliche Maṇḍala des höchsten Weisheit-Kāya
ist, gleich dem Vollmond, frei von Ausführlichkeit und Komplexität,
und dennoch erstrahlt sein Mitgefühl so gleichmäßig wie das Sonnenlicht.
Komm nun herbei, ich bitte dich: Schau auf mich und verweile
!

Aus dem grundlegenden Raum von Buddhas Dharmakāya, der stets frei von konzeptueller Ausführlichkeit ist, wird das Maṇḍala der Weisheitsgottheiten erweckt. Dies ist die Einladung des Verdienstfeldes, frei von jeglicher Konzeptualisierung bezüglich Subjekt und Objekt. Die Weisheit der Sugatagarbha, die Dharmatā der natürlichen Lichtheit, geht über die Form-Kāyas hinaus, und ist somit der höchste Dharmakāya. Es ist das große natürliche Maṇḍala, das von niemandem erdacht oder künstlich erzeugt wird. Es gleicht dem Licht des Maṇḍalas des Vollmonds, das nach außen strahlt, ohne die Komplexität verschiedener Gedankengänge. Dennoch erstrahlt sein natürlicher Ausdruck des Mitgefühls frei von jeder Voreingenommenheit, wie das Sonnenlicht – die Lichtstrahlen der Liebe berühren alle fühlenden Wesen gleichmäßig, als wären sie die eigenen Kinder. Zu diesem allumfassenden Formkörper (rūpakāya) bete ich: Komm nun genau in diesem Moment herbei, schau auf mich und alle anderen und verweile!

Unaussprechliche Weisheit, der unveränderliche Dharmakāya,
Herren der fünf Familien, der Sambhogakāya der großen Glückseligkeit;
und Gottheiten, die die Entfaltung unermesslichen Mitgefühls und geschickter Mittel sind,
friedvolle und zornvolle Nirmāṇakāyas: Euch erweise ich Verehrung!

Diese Weisheit ist von Natur aus unaussprechlich, jenseits von Existenz und Nicht-Existenz, Beständigkeit und Nihilismus. Sie ist der unveränderliche, unwandelbare Dharmakāya. Der Saṃbhogakāya, in dem alle Qualitäten vollständig sind, ist mit den fünf Gewissheiten ausgestattet, hat die Natur großer Glückseligkeit (weil er frei von jeglichen Verunreinigungen wie Leiden oder dem Ursprung des Leidens ist) und besteht aus den Herren der fünf Familien der Tathāgatas. Dann gibt es die Gottheiten des Maṇḍalas der drei Sitze der Vollkommenheit, die als die Entfaltung von umfassendem, unermesslichem Mitgefühl und geschickten Mitteln Gestalt annehmen: die zweiundvierzig friedvollen und achtundfünfzig zornvollen Gottheiten, die zum Nirmāṇakāya-Maṇḍala gehören. Euch allen erweise ich Verehrung!

Tatsächliche Opfergaben und in der Vorstellung erschaffene,
wie Samantabhadras unübertreffliche Wolken von Schätzen,
in der umfassenden Weite der reinen Ausdehnung des Raumes angeordnet:
Diese ozeangleichen äußeren, inneren und geheimen Gaben bringe ich dar!

Während tatsächliche Opfergaben ihrer Natur nach begrenzt sind, können in der Vorstellung erschaffene nicht übertroffen werden. Diese unübertrefflichen Wolken von Schätzen, die wie im Samādhi des Bodhisattva Samantabhadra ausströmen, sind in der umfassenden Weite der reinen Dharmatā-Ausdehnung des Raumes von Samantabhadrī angeordnet, ausgestattet mit den drei Pforten zur Befreiung. Die äußeren Gaben sind jene, die von den Sinnen genossen werden, die innere Gabe ist die leere Glückseligkeit, die vom Sinnesbewusstsein genossen wird, und die geheime Gabe ist das Darbringen von Soheit: die Erkenntnis, dass ihre Natur über Dargebrachten und Darbringenden hinausgeht. Ozeangleich bedeutet hier, dass all diese Opfergaben im Überfluss erscheinen, mit einer inneren Bedeutung, die so tiefgehend und unergründlich ist wie der Raum. All dies bringe ich dar!

Durch die Erfahrung des einen Geschmacks, jenseits von Vereinigung und Trennung,
in der alle unendlichen Maṇḍalas der siegreichen Buddhas
in Samantabhadrīs geheimer Bhaga präsent sind:
Möge nicht-dualistisches Bodhicitta euch erfreuen
!

Für die große Mudrā des Darbringens gibt es eine Erklärung gemäß dem Relativen und eine Erklärung gemäß dem Absoluten.

1. Erläuterung gemäß dem Relativen

Indem man sich auf eine Göttin mit Form stützt, werden die stets gegenwärtigen (samanta) Gedanken der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zum Stillstand gebracht, was ausgezeichnet (bhadrī) ist. Für die Anhänger des Śrāvaka-Fahrzeugs, die nicht vom Glück begünstigt sind, bleibt diese Bedeutung verborgen oder geheim. Der Raum der Bhaga, die die Natur der drei Pforten zur Befreiung symbolisiert, ist der Ort, an dem alle unendlichen Maṇḍalas der siegreichen Buddhas der drei Sitze ausnahmslos in der Erfahrung des einen Geschmacks verweilen, jenseits von Vereinigung und Trennung. Möge das heilige Bodhicitta, das mit der schmelzenden Glückseligkeit der nicht-dualistischen männlichen und weiblichen Gottheiten hervorgebracht wird, euch erfreuen! Dies bezieht sich auf die Begegnung mit der innewohnenden großen Glückseligkeit.

2. Erläuterung gemäß dem Absoluten

Da sie immer (samanta), in allen drei Zeiten, frei von Gedanken ist, ist sie ausgezeichnet (bhadrī). Da sie gewöhnlichen fühlenden Wesen natürlich verborgen bleibt, ist sie ein natürliches Geheimnis. „Geheim“ bedeutet hier, dass sie verborgen ist, da sie jenen, denen es an Glück fehlt und die keine Ermächtigung haben, nicht enthüllt wird. In der Bhaga der Vajra-Königin, dem grundlegenden Raum, – der Leerheit ist, die Abwesenheit von Eigenschaften und die Abwesenheit von Bestreben – [2] verweilen alle unendlichen Maṇḍalas der siegreichen Buddhas. In dieser unendlichen Weite der unaussprechlichen Dharmatā sind alle Phänomene von einem Geschmack und jenseits von Vereinigung und Trennung in Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft. Möge diese außergewöhnliche Verwirklichung des nicht-dualistischen, absoluten Bodhicitta euch erfreuen!

Die Natur des Geistes ist der große Raum der Dharmatā,
Phänomene, vollkommen rein, waren schon immer klares Licht,
und der Bereich dieses Yogas ist jenseits von Sprache und Gedanken:
Diesem Bodhicitta der Gleichheit bringe ich immerwährende Ehrerbietung dar
!

Dies ist die große Mudrā des Lobpreises. Die Natur oder Eigenschaft des Geistes sollte nicht lediglich wie das Beispiel des leeren Raumes verstanden werden. Stattdessen ist vom großen Raum der Dharmatā die Rede. Der wahre Zustand der relativen Phänomene und der Dinge mit Eigenschaften, vollkommen rein, war schon immer natürliches, klares Licht und Soheit, die großer Frieden ist. Und der leere Bereich dieses Yogas ist jenseits von Sprache und Worten, Gedanken und Denken – sie können ihn nicht veranschaulichen. Diesem absoluten Bodhicitta der Gleichheit von Saṃsāra und Nirvāṇa bringe ich immerwährende Ehrerbietung dar, indem ich mir seiner bewusst bleibe!

In der stets vortrefflichen, ursprünglich weiten großen Vollkommenheit
ist das Maṇḍala angeordnet, mit äußeren, inneren und geheimen Aspekten:

In der stets vortrefflichen – der zeitlosen Zeit jenseits von Gedanken an Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft – der ursprünglich weiten natürlichen großen Vollkommenheit, sind die drei Maṇḍalas angeordnet. Ihr äußerer Aspekt ist die Erzeugungsphase, die mit den Samayas der Vasen-Ermächtigung verbunden ist; ihr innerer Aspekt ist die Vollendungsphase, die mit den Samayas der geheimen und der dritten Ermächtigung verbunden ist; und ihr geheimer Aspekt ist die innewohnende Weisheit, die mit der vierten, der Wort-Ermächtigung, verbunden ist.

Reine offenbare Existenz ist der Bereich der männlichen und weiblichen Gottheiten,
der Elemente und der elementaren, spontan vollendeten Buddha-Paare
.

Hier ist vom äußeren Maṇḍala die Rede. Im Bereich der Siegreichen gibt es keine gewöhnlichen Gedanken, die nach der offenbaren Existenz als fühlende Wesen und als die Welt greifen. Jenseits von Unreinheit, partieller Reinheit und so weiter ist alles in der großen unendlichen Reinheit der Dharmatā gereinigt. Daher ist innerhalb dieses Bereichs alles ursprünglich als das Maṇḍala ozeangleicher reiner Bereiche und männlicher und weiblicher Gottheiten erwacht. Die fünf Aggregate und fünf Elemente sind die männlichen und weiblichen Tathāgatas. Die Sinne, Sinnesbewusstseinsarten und Sinnesquellen sind an jeglichem Ort und zu jeder Zeit schon immer rein gewesen, mit der Natur von Bodhisattvas, Buddhas und Edlen. Das ist es, wie sie schon immer gewesen sind, ohne dass es einer Umwandlung bedurfte. Darüber hinaus wird es, da die Natur des Bereichs des Saṃsāra die Natur die Sugatagarbha ist, innerhalb des ursprünglichen Maṇḍalas der drei Sitze der Vollkommenheit Transformation und Erwachen geben, das ist es also, wie es sein wird.[3] All dies beinhaltet die Vereinigung von Erscheinung und Leerheit, von geschickten Mitteln und Weisheit, und ist daher spontan vollendet als Buddha-Paare, männlich und weiblich.

Die große Gefährtin schwelgt im großartigen Geheimnis,
und im Lotus der Herrscherin, der unermesslichen Weite des Raumes,
im großen nicht-dualistischen Bindu, herrscht klares Licht

Hier liegt der Schwerpunkt auf dem inneren Maṇḍala. Die große Gefährtin, die Verkörperung der heiligen Weisheit der vier Freuden, schwelgt im großartigen Geheimnis der äußerst unwandelbaren großen Glückseligkeit. Der Raum der Herrscherin Samantabhadrī, der Vajra-Königin, ist eine unermessliche Weite, wie der Raum, die nicht durch den Sumpf des Saṃsāra befleckt ist, wie ein Lotus, und die Natur der drei Pforten zur Befreiung besitzt. Die Tathāgatas halten ebenfalls die Befreiung innerhalb des großen Weisheits-Bindu nicht-dualistischer Glückseligkeit und Leerheit aufrecht. Innerhalb dieser unvorstellbaren Dharmatā herrschen klares Licht und Frieden. Das ist das innere Maṇḍala.

und Bodhi-Essenz-Kāya, ungekünstelt und unkompliziert.
Alles, was erscheint, ist die immerwährende Gottheit großer Glückseligkeit
.

Hier liegt der Fokus auf dem geheimen Maṇḍala. Soheit ist ungekünstelt, nicht durch die Spitzfindigkeit von Intellektuellen formuliert. Der Bodhi-Essenz-Kāya ist frei von der Kompliziertheit von Dauerhaftigkeit und Nihilismus, Geburt und Beendigung. Genauso wie verschiedene magische Erscheinungen am leeren Himmel erscheinen können, ist die Natur der Dharmatā derart, dass sie als alles erscheinen und sich als was auch immer manifestieren kann. Dennoch ist sie von ihrer Essenz her äußerst unwandelbare große Glückseligkeit, die mit dem höchsten aller Aspekte und der immerwährenden Gottheit ausgestattet ist – unbesiegbar, unzerstörbar, jenseits von Veränderung oder Transformation. Dies ist das geheime Maṇḍala der Soheit.

Von diesem Punkt an ist die Bedeutung der Worte leicht zu verstehen, so dass ich den Text und den Kommentar kombinieren werde.

Obwohl wir zuvor wie üblich von drei Maṇḍalas gesprochen haben, sind die Maṇḍalas innerhalb der weiten Ausdehnung der Essenz selbst jenseits von Vereinigung und Trennung, und Phänomene verweilen in Gleichheit. Doch jenen, denen es an Verdienst mangelt, bleibt diese Tatsache verborgen, daher bezeichnen wir es als das geheime Maṇḍala. Es gibt die Herrscher Samantabhadra und seine Gefährtin, die die Grundlage für die Manifestationen sind, die männlichen und weiblichen Buddhas der fünf Familien, die erleuchtete Aktivitäten vollendet haben, und die zweimal acht Bodhisattvas, männlich und weiblich, die das Verhalten aus selbstsüchtigen Interessen überwunden haben und zum Wohle anderer handeln. Darüber hinaus gibt es die Scharen von Zornvollen, die zehn Männlichen und Weiblichen und die sechzehn Vīdyā-Vajra-Göttinnen. Ihre Herren und Meister der Versammlung sind die Glorreichen der fünf Familien und die zehn zornvollen Könige und Gefährtinnen, die die Reinigung der zehn nichttugendhaften Taten verkörpern. Äußerlich gibt es die zweiunddreißig heiligen Länder und die vierundzwanzig heiligen Orte, an denen man die Helden mit ihren jeweiligen Gefährtinnen, den Yoginīs oder Karmamudrās, findet, alle mit ihrem eigenen Namen. Innerlich ist die Krone des Kopfes Jālandhara und so weiter,[4] und die Kanäle der großen Städte des Vajra-Körpers verwandeln sich in die Helden (vīra) und die Elemente verwandeln sich in die Yoginīs. Diese leeren Formen, in denen Erscheinung und Leerheit sowie geschickte Mittel und Weisheit untrennbar verbunden sind, sind die offenbare Mahāmudrā. Insgeheim sind sie alle in den zehn Wohnstätten der Herukas[5] enthalten, Symbol für die zehn Bhūmis; das ist die Dharmamudrā. Die Pforten, durch die sich das Mitgefühl des gesamten Maṇḍalas mit seinen Objekten verbindet, sind die Vier Unermesslichen, und seine Verkörperungen sind die vier erleuchteten Aktivitäten, die Samayamudrās der vier Torwächterinnen. Darüber hinaus gibt es all die zahllosen Gottheiten, die Weisheitsemanationen sind – das heißt jene, die fürsorglich wie Mütter und unterstützend wie Schwestern gegenüber allen sind, die den Samaya halten und ihren Samaya-Verpflichtungen folgen. Sie sind es, die Gut und Böse abwägen, die bestimmen, was wahrhaftig ist, und den Samaya beurteilen. Sie sind die Scharen von Helden, Dākinīs und Yoginīs, die auf der äußeren Ebene in den außergewöhnlichen heiligen Orten und Ländern umherstreifen, frei von der Vorstellung von Subjekt und Objekt, und die auf der inneren Ebene in jedem Element der Kanäle des Vajra-Körpers versammelt und von einem Geschmack damit sind. Kurz gesagt, damit wir für die vertrauenswürdigen Zeugen und Halter der Vajra-Verpflichtungen, die zu aller Zeit ungehinderte Sicht besitzen, zu einem Objekt des Mitgefühls werden, bitten wir sie: Denkt an uns!

Wir, die wir untrennbar mit der jeweiligen Gottheit der spezifischen Familie verbunden sind, auf die unsere Blume fiel,[6] sind die Nachfolger der Buddhas, deren mitfühlende, erleuchtete Aktivität unaufhörlich ist. Zum Wohle und zum Nutzen aller fühlenden Wesen erwecken wir Bodhicitta, sowohl das relative des Bestrebens und Handelns, als auch das absolute, den Vajra-Yoga des Mantra-Fahrzeugs.

Auch wenn das Ergebnis, das wir anstreben, der unübertreffliche Zustand des großen Erwachens ist, werden die Lehren doch Schritt für Schritt praktiziert, und so halten wir, um voranzuschreiten, vielfältige Disziplinen aus dem Ozean von Lehren aufrecht. Zunächst gibt es die Fahrzeuge, die vom Ursprung ausgehen, in denen wir den drei Körben[7] der Lehren folgen. Die Absicht des ersten Drehens des Dharma-Rades besteht darin, die Schulung in der Disziplin der individuellen Befreiung zu etablieren, durch die wir den Geist davon abhalten, negative Handlungen zu begehen, und uns mit dem Pfad der Vier Wahrheiten vertraut machen. Darüber hinaus wenden wir, der Absicht des mittleren und letzten Drehens des Dharma-Rades folgend, das Bodhicitta des Bestrebens und Handelns an, indem wir die Disziplin, Tugend zu sammeln und Wesen zu nutzen, hinzufügen. Zusammen mit den Schulungen in höherer meditativer Konzentration und Weisheit bilden diese die drei höheren Schulungen.

Dann gibt es die Fahrzeuge, die Gewahrsein durch Askese erlangen. Diese bestehen aus den drei äußeren Tantras des Geheimen Mantras: dem Handlungs-, Verhaltens- und Yoga-Tantra. Hier halten wir uns an die Samayas, die Dinge wie Reinigung und Sauberkeit betonen.

Schließlich gibt es die einzigartigen Fahrzeuge der kraftvollen transformativen Methoden. Diese Yogas sind unübertroffen: der äußere Mahāyoga, der die Erzeugungsphase betont, der innere Anuyoga der Übertragung der Schriften und der geheime Atiyoga der Großen Vollkommenheit. Durch diese Yogas sind wir in der Lage, die Absicht der Erzeugungs- und Vollendungsphase sowie der Großen Vollkommenheit zu praktizieren.

Mittels dieser Fahrzeuge geben die Srāvakas destruktive Emotionen auf, die Bodhisattvas transformieren sie und die Mantrikas nehmen sie als Pfad. Die Vielzahl der zerstörerischen Emotionen auf diese Weisen unter Kontrolle zu bringen, bedeutet, vielfältige Disziplinen aufrechtzuerhalten. Letztendlich gipfeln sie alle in den außergewöhnlichen Gelübden des Vajra-Fahrzeugs, in denen sich die Essenz des Gelübdes verwandelt, die positiven Qualitäten zunehmen und die Beseitigung und das Ziel vollkommen vollendet werden.[8]

Das höchste Gelübde ist, uns mit dem erleuchteten Körper, der Mahāmudrā, mit der erleuchteten Sprache, dem unaussprechlichen Nāda, sowie mit dem erleuchteten Geist, tiefgründig, friedvoll und jenseits konzeptueller Ausführlichkeit, zu vereinen. Alle Aktivitäten des Geheimen Mantras sind unbesiegbar, unzerstörbar und mit den sieben besonderen Eigenschaften ausgestattet, weshalb es Vajra genannt wird. Die Natur der Samayas ist hier nicht vergleichbar mit der gewöhnlicher Gelübde: Es gibt keine Gewissheit darüber, was anzunehmen oder zu vermeiden ist. Daher ist es entsetzlich, sie zu übertreten, und sie müssen stets eingehalten werden.

Die fünfundzwanzig Samayas und so weiter werden im fünften und sechsten Kapitel klar erklärt.[9] Kurz gesagt, werden „die allgemeinen als auch die besonderen, höheren Verpflichtungen“ anhand der Samayas der fünf Familien und der vierzehn Wurzelverstöße erklärt. Wir haben diese ein ums andere Mal angenommen und geschworen, sie aufrecht zu erhalten. Je nachdem, wie viele Tage, Monate oder Jahre verstrichen sind, nachdem sie gebrochen wurden, werden sie als beeinträchtigt, übertreten oder gebrochen bezeichnet.[10] Es kann geschehen, dass wir unsere Gelübde über lange Zeit missachten oder zulassen, dass Übertretungen unserer Gelübde andauern, so dass sie nicht mehr zu beheben sind. Von Dämonen in die Irre geführt, wanken wir in unserem Vorhaben oder wenden uns ganz von ihm ab, ohne jemals zu ihm zurückzukehren. Wir tun dies ohne Absicht. Doch durch den Einfluss der Faulheit, die uns das Handeln aufschieben und Dinge auf später verlegen lässt, sind wir außerstande, Meisterschaft zu erlangen, und haben nur wenig innere Kraft; es fehlt uns an achtsamer Wachsamkeit und wir verfallen in Unachtsamkeit, indem wir Alkohol trinken oder schlafen. Wir geben uns keine Mühe in der Meditation über Bodhicitta und in der Erzeugungs- und Vollendungsphase, sind unaufmerksam in der Annäherungsphase, zerstören unseren Samaya, vernachlässigen die Vollendungsphase und dergleichen. Wissentlich, indem wir der Macht negativer Emotionen anheimfallen, und unwissentlich, durch unsere eigene Unkenntnis, begehen wir die Wurzelfehler, das heißt, wir übertreten die Gebote des Sugata, des Lehrers, und verstoßen gegen die Samaya-Verpflichtungen, die der Vajra-Meister verkündet hat. „Ein Yogi oder Praktizierender der Meditation darf niemals, nicht einmal für einen Augenblick, mit jemandem verkehren – er darf noch nicht einmal das Wasser aus demselben Tal trinken wie jemand , der die Samayas gebrochen und die Wurzelverstöße begangen hat, wie etwa den Vajra-Guru zu verachten, was zum Scheitern und ins völlige Verderben führt.“ So lautet das unfehlbare Gebot des Siegreichen, doch wir halten es nicht ein und erkennen solch schwerwiegende Irrtümer nicht.[11] Verwirrt über den Eintritt ins geheime Mantra, enthüllen wir jenen ohne Samayas Dinge, die ihnen verborgen bleiben sollten, wie die vier allgemeinen Geheimnisse[12] und die vier mittleren Geheimnisse [13], und vertrauen ihnen sogar die Lehren an. Es ist schwer zu unterscheiden, und so missachten wir [ungewollt] die Texte der ozeangleichen Samayas. Ohne höhere Wahrnehmung, Hellsichtigkeit und unterscheidendes Gewahrsein, erkennen wir nicht, wer Fehler begangen hat, sei es direkt oder indirekt. Wir [praktizieren] das Festopfer in der Versammlung gemeinsam mit Samaya-Brechern und jenen, die ihre Übertretungen bereinigt haben, obwohl sie nicht die geringste Absicht haben, sich davon abzuwenden. Wir lehren den tiefgründigen Dharma des Geheimen Mantra-Fahrzeugs Fehlgegangenen, die in der Vergangenheit Übertretungen im Hinblick auf ihren Guru begangen und es versäumt haben, dies wiedergutzumachen, und ungeeigneten Empfängern, die nicht dafür qualifiziert sind, die verschiedenen Tantra-Klassen zu empfangen.

Kurz gesagt, wir meiden Samaya-Brecher nicht, sondern begehen selbst den Fehler des Übertretens, weil wir mit ihnen verkehren und dergleichen. So haben wir mit Individuen verkehrt, die Samaya-Brecher sind, und wurden durch ihren verderblichen, äußerst frevelhaften Einfluss ihrer schrecklichen Fehler, die der schwerwiegendste der fünf Arten von verunreinigenden Einflüssen ist, befleckt.[14] All diese Verfehlungen beeinträchtigen das Glück dieses Lebens, behindern unsere positiven Qualitäten, verkürzen unsere Lebensspanne, verursachen viele Krankheiten und langfristige Verdunklung. Wir bekennen nun all das, was uns daran hindert, die acht großen Siddhis und die erhabenen höchsten Siddhis zu erlangen, mit einem Geist voll tiefster Reue und äußerstem Bedauern.

Denkt an uns mit eurem großen Geist der liebenden Güte und des Mitgefühls, dem nah und fern unbekannt sind. Und verankert uns unerschütterlich in den Samayas der Großen Vollkommenheit: dem Samaya der Nicht-Existenz, der über die Dualität von Einhalten und Überschreiten hinausgeht, dem Samaya des Einsseins, in dem es kein Schwanken oder Abweichen vom Bereich des grundlegenden Raumes gibt, dem Samaya der Gleichheit, in dem die Dharmatā vollständig ohne Bezugspunkt ist, sowie dem Samaya der großen spontanen Präsenz oder des Gleichmuts, unvoreingenommen und ohne Vorurteil, der uranfänglich aufrechterhalten wird. Dort verweilt ihr, die Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ohne euch vom immerwährenden Rad fortzubewegen: Helft uns, die wir die Sugatagarbha-Natur besitzen, mit diesem Zustand zu verschmelzen und darin zu verweilen! Gewährt uns endgültige Vergebung der großen nicht-dualistischen Wirklichkeit, frei von Verdunklungen, die der Dharmakāya der Erwachten ist!

Das Letztendliche liegt jenseits aller Bezugspunkte und Ausführlichkeit, wie den Erklärungen der Samayas als Teil der zusammengesetzten Wahrheiten des Pfades. Darin gibt es keinerlei begriffliche Gedanken, wie bei jenen, deren Geist ständig beschäftigt ist, Dinge zu bezeichnen. Daher gibt es keine Dualität von Übertretung und Bekenntnis. Sollten wir jedoch aufgrund des traumgleichen Relativen –, bloßer Illusion, die von einem Magier heraufbeschworen wurde – fehlgegangen sein, bedauern wir dies zutiefst und beten mit großer Reue: Bitte vergebt uns!

Mir sind keine früheren Kommentare zu diesem Text unter die Augen gekommen;[15]
das Thema ist umfangreich, seine Bedeutung tiefgehend, seine Sprache tiefgründig,
und es ist der Zugang zu zahllosen Fahrzeugen, daher
habe ich alle scheinbaren Widersprüche zwischen den Worten und der Bedeutung eingehend untersucht.

Heutzutage sind die Lehren des Mantra-Fahrzeugs
nur noch ein Abglanz dessen, was sie einst waren.
Um daher jegliche Unklarheit zu beseitigen, bin ich der Weisheitsabsicht der Siegreichen gefolgt
in dieser Botschaft für die Mantrikas dieses letzten Zeitalters.

Was auch immer ich hiermit an Tugend angesammelt habe,
mögen dadurch alle Praktizierenden des dreifachen Tantra, ob sie intelligent sind oder nicht,
ein neues Aufdämmern ihres Interesses am Dharma erleben
und der großen erleuchtenden Sonne des klaren Lichts begegnen!

Dzogpachenpo Rangjung Dorje diktierte dies, um die hartnäckigen Bitten von Yangtengpa, der die Linie von Ra Lotsawa hält, zu erfüllen.[16] Dies ist das dreiundzwanzigste Kapitel der Sammlung von Reden.


| Englische Übersetzung Han Kop mit freundlicher Unterstützung von Khenpo Sonam Tsewang, 2024. Lektoriert für Lotsawa House von Adam Pearcey. Deutsche Übersetzung: Doris Wolter und Rigpa-Übersetzungen-Team 2024.


Literaturverzeichnis

Tibetische Ausgaben

'Jigs med gling pa. „sngags pa la spring ba'i gtam bshags le bzhi pa'i TI ka dam tshig rgya mtsho'i gsal byed“. Derge-Ausgabe (9 Bände). gsung 'bum/_'jigs med gling pa, BDRC W27300 (Gangtok, Indien: Pema Thinley für Dodrupchen Rinpoche, 1985), Bd. 4: 560-572. (Derge)

'Jigs med gling pa. „sngags pa la spring ba'i gtam bshags le bzhi pa'i TI ka dam tshig rgya mtsho'i gsal byed“. Adzom-Ausgabe (14 Bände). gsung 'bum/_'jigs med gling pa, BDRC W7477 (Adzom, 1999), Bd. 7: 271-285. (Adzom)

'Jigs med gling pa. „sngags pa la spring ba'i gtam bshags le bzhi pa'i TI ka dam tshig rgya mtsho'i gsal byed“. Lhasa-Ausgabe (9 Bände). gsung 'bum/_'jigs med gling pa, BDRC W1KG10193 (Gangtok, Sikkim, 1999), Bd. 4: 566-577. (Lhasa)

'Jigs med gling pa. „sngags pa la spring ba'i gtam bshags le bzhi pa'i TI ka dam tshig rgya mtsho'i gsal byed“. In kun mkhyen gong 'og gsung gi rgyab chos skor. (Pe cin: mi rigs dpe skrun khang, 2020), Bd. 31: 167-177.

rig 'dzin 'jigs med gling pa'i gsung 'bum [Buch]. Bd. 9. (China: si khron mi rigs dpe skrun khang und bod ljongs bod yig dpe rnying dpe skrun khang, 2018). Bd. nga: 408-416.

Andere tibetische Quellen

kaHthog ye shes rgyal mtshan. „sngon 'gro'i 'grel pa me tog phreng mdzes las ye shes sku mchog DI_k+ka logs su phyung ba“. In bka' ma rgyab chos skor, Bd. he: 245-274.

rig 'dzin gar gyi dbang phyug. „ye shes sku mchog ma'i 'bru 'grel ye shes snang ba“. In gsung 'bum/_rig 'dzin gar gyi dbang phyug. 5 Bde. nyag a 'dzin rong: 'chi med byang chub gling, 200? BDRC W19884. Bd. 5: 281-298

dGe mang mkhan chen yon tan rgya mtsho & mNgaʼ ris paṇ chen padma dbang rgyal. sDom pa gsum rnam par nges paʼi mchan ʼgrel rig pa ʼdzin paʼi ʼjug ngogs. Shechen Publications, 2000. BDRC W23610.

Dudjom Rinpoche, Perfect Conduct: Ascertaining the Three Vows. Boston, MA: Wisdom Publications, 1996.

Wallace, Alan B. (Übersetzer.) Heart of the Great Perfection: Düdjom Lingpas Visions of the Great Perfection. Somerville, MA: Wisdom Publications, 2016. Version: 1.0-20240724

Anmerkungen


Version: 1.0-20240814


  1. Das heißt König Ja von Zahor.  ↩

  2. Dies sind die drei Pforten zur Befreiung.  ↩

  3. Katok Yeshe Gyaltsen erklärt in seinem Kommentar (S. 263) den Begriff 'byung als einen Verweis auf die fünf Elemente ('byung ba lnga) und die fünf weiblichen Buddhas, während sich der Begriff 'byung 'gyur, wie er sagt, auf die fünf Skandhas bezieht, die die fünf männlichen Buddhas sind. Im Gegensatz dazu interpretiert Jigme Lingpa hier dieselben Begriffe als das, was gewesen ist und was sein wird. Rigdzin Gargyi Wangchuks Auslegung stimmt mit der von Jigme Lingpa überein.  ↩

  4. Siehe Jigme Lingpa, Eine glorreiche Girlande großer Glückseligkeit – die grundlegende weibliche Praxis von Tsogyal, Königin der großen Glückseligkeit (Yumka Dechen Gyalmo)  ↩

  5. he ru ka'i gnas bcu. Nach Alan Wallace, Heart of the Great Perfection: Dudjom Lingpa's Visions of the Great Perfection (S. 222) sind dies: 1) Wohnstätten (tib. gnas, Skt. pīṭha), 2) äußere Wohnstätten (tib. nye ba'i gnas, Skt. upapīṭha), 3) Felder (tib. zhing, Skt. kṣetra), 4) äußere Felder (tib. nye ba'i zhing, Skt. upakṣetra), 5) angenehme Orte (tib. tshan do, Skt. chandoha), 6) äußere angenehme Orte (tib. nye ba'i tshan do, Skt. upachandoha), 7) Versammlungsplätze (tib. 'du ba, Skt. melāpaka), 8) äußere Versammlungsplätze (tib. nye ba'i 'du ba, Skt. upamelāpaka), 9) Leichenacker (tib. dur khrod, Skt. śmaśāna) und 10) äußere Leichenacker (tib. nye ba'i dur khrod, Skt. upaśmaśāna).  ↩

  6. Während der Ermächtigungsriten ist es üblich, eine Blume auf ein Maṇḍala zu werfen, um anhand der Stelle, auf der sie landet, zu bestimmen, welcher erleuchteter Familie man angehört.  ↩

  7. Skt. tripiṭaka. Die Vinaya-, Sūtra- und Abhidharma-Sammlungen.  ↩

  8. Zu diesen Begriffen (dngos po gnas 'gyur, yon tan yar 'phel, dgag dgos yongs rdzogs) siehe den Anfang des fünften Kapitels in Ngari Panchen Pema Wangyals (1487-1542) Bestimmung der drei Arten von Gelübden. Zum letzteren Begriff siehe Khenpo Yönga, sdom pa gsum rnam par nges paʼi mchan ʼgrel rig pa ʼdzin paʼi ʼjug ngogs (Gateway of the Vidyādharas: A Word-by-Word Commentary on Ascertainment of the Three Types of Vows), S. 353-354.  ↩

  9. Fünftes und sechstes Kapitel des Tantras des makellosen Bekenntnisses.  ↩

  10. Siehe zum Beispiel Longchen Rabjam, Ocean of Liberation: The Aspects of Samaya  ↩

  11. Die meisten verfügbaren Ausgaben des Wurzeltextes verwenden das Verb lcogs, das mit „beobachten“ übersetzt wird. Jigme Lingpa verwendet in seinem Kommentar jedoch das Verb rtogs, erkennen.  ↩

  12. Die vier allgemeinen Geheimnisse (spyir gsang bzhi) von Sicht, Meditation, Verhalten und Verwirklichung.  ↩

  13. Die vier mittleren Geheimnisse (bar gsang bzhi) von 1) der Yidam-Gottheit (yi dam gyi lha), 2) Mantra und Mudrā (sngags dang phyag rgya), 3) tiefgründiger Sicht (lta ba zab mo) und 4) kraftvollem Verhalten (spyod pa rlabs po che).  ↩

  14. In den Adzom- und Lhasa- Ausgaben steht grib ma lnga („fünf Arten von verunreinigenden Einflüssen oder Verunreinigung“). In der Derge-Ausgabe heißt es sgrib pa lnga („fünf Arten von Verdunklung“). Die Lamdre-Lehren sprechen von sechs Arten von Verunreinigung: von 1) Samaya, 2) Geistern, 3) bösen Freunden, 4) Nahrung, 5) Ort und 6) Leichen.  ↩

  15. Eine Anmerkung im Tibetischen lautet gnyan 'grel.  ↩

  16. Dies bezieht sich wahrscheinlich auf Ratön Ngawang Tendzin Dorje, alias Ratön Jikme Gawa, einen Schüler von Jigme Lingpa, der 1801 einen großen Kommentar zu Yumka Dechen Gyalmo, bekannt als Ra Ṭik, schrieb. Im Kolophon des Ra Ṭik sagt er selbst, dass er der 25. in der Familienlinie des Neffen von Ra Lotsāwa Dorje Drak (1016-1128) ist.  ↩

Jigme Lingpa

Jigme Lingpa

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Im Vajrayāna-Buddhismus unterliegen bestimmte Texte der Einschränkung, dass nur jene sie lesen und praktizieren dürfen, die die erforderlichen Ermächtigungen, Übertragungen und Anweisungen dafür erhalten haben.

Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie berechtigt sind, einen bestimmten Text zu lesen oder zu praktizieren, erkundigen Sie sich bitte bei einem qualifizierten Linienhalter.

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