Gold speien
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Gold speien
Eine Kernanweisung in Form eines Ratschlags an den eifrigen Praktizierenden, den vorzüglichen Atsang
von Khenpo Gangshar Wangpo
Ich verneige mich vor dem glorreichen und erhabenen Guru.
Kind eines guten Vaters,
All die weltlichen Unterfangen, die ja alle nur auf dieses Leben allein konzentriert sind, besitzen keinerlei Essenz. Es besteht nicht der geringste Zweifel, dass der Guru – die Verkörperung der drei Seltenen und Erhabenen – und insbesondere das transzendente Dharma die absolute Zuflucht und die Quelle unseres Wohlergehens sind. Verstehe, dass diese Erkenntnis den Unterschied zwischen kontinuierlichem Umherirren in Saṃsāra und der Befreiung ausmacht.
Nun lass uns mal sehen, ob du bereit bist, diesem hohen Ziel gerecht zu werden. Ein gutes Kind würde Ablenkung aufgeben, sich von Verwirrung nicht beinträchtigen lassen und das Wesentliche aus Muße und Glück herausfiltern. Um dies zu tun, musst du über Vergänglichkeit reflektieren…
Kind von guter Abstammung, manche hören auf dieses, andere auf jenes, auf das,was hier und was dort gesagt wird; manche betrachten den Prozess von Geburt, Alter, Krankheit und Tod; andere handeln, um Wohlstand anzusammeln; wieder andere bauen Häuser; während manche sich Studium und Kontemplation widmen üben sich andere im Retreat in den Praktiken der Annäherung und Errungenschaft des Geheimen Mantrayana. Nichtsdestotrotz sind unter all diesen jene, die letztlich das Allerhöchste verwirklichen, mehr als dünn gesät.
Manche kontemplieren Krankheit und Sterblichkeit etc. und andere tun das nicht, aber alle müssen den Schmerz durchmachen, den diese Erfahrungen mit sich bringen – einschließlich deiner selbst! Vollständig wahrzuhaben, dass du jeden Augenblick sterben könntest, heißt, Zuversicht in die Kontemplation der Vergänglichkeit erlangt zu haben.
Halte dich kontinuierlich an, ständig auf deinen Geist zu schauen und ihn zu reinigen. Widerstehe Ablenkungen und erliege nicht dem Einfluss der Verwirrung, praktiziere vielmehr – mit den Erwachten und ihren Nachkommen als deinen Zeugen–mit Eifer!
Allgemein gesagt gibt es keine einzige Belehrung des Buddha, die unpassend, beklagenswert oder nutzlos wäre, und die Hauptbedeutung von ihnen allen ist, jeden einzelnen Gedanken achtsam zu erfassen.
Es ist nicht nötig, deinen Geist zu verändern, halte einfach nur die Achtsamkeit auf deine Gedanken aufrecht, die direkt in ihre Essenz selbst hineinblickt. Dadurch wird ein kraftvolles und klares Gewahrsein enthüllt werden, das durch nichts erschüttert werden kann.
Kurz gesagt, wenn sich abgelenkte Gedanken erheben, werden sie Geist genannt. Wenn es von solchen Ablenkungen frei ist, kann dein innewohnendes Gewahrsein durch nichts beeinflusst werden, weder durch Positives, Nutzbringendes noch durch Negatives, Schädliches.
Wenn ein Gedanke, ein verwirrter oder sonstiger, sich erhebt, betrachte das nicht als Versagen oder Fehler; entspanne dich einfach in seine Natur hinein. Mit zunehmender Vertrautheit wirst du das Gewahrsein deutlich vom Geist unterscheiden können, wobei das Erstere stabilisiert, der Letztere befreit werden wird.
Es ist wichtig, von Zeit zu Zeit deinen Guru anzurufen, Ermächtigung zu empfangen und deinen Geist mit seinem oder ihrem zu verschmelzen.
Solltest du Gottheiten-Yoga und Mantra-Rezitation praktizieren, tu dies ebenfalls aus dem Gewahrsein heraus. Gewahrsein, unverhüllt offengelegt, wird das Haupt eines jeglichen selbstsüchtigen, nach einem „Ich“ greifenden Verhaltens abtrennen.
Stoße „Phat“ aus, praktiziere Yoga- und Traum-Übungen, und während des Tages, meditiere über deinen illusionsgleichen Körper innerhalb der ständig aufrecht erhaltenen Kontinuität des Gewahrseins. Für diese Praxis spielt es keinerlei Rolle, in welcher Umgebung du dich befindest.
Sichere Zeichen einer authentischen Praxis sind das Zunehmen von sowohl Entsagung als auch Mitgefühl. Bitte behalte das im Sinn!
Ohne dich von diesem natürlichen Zustand des Gewahrseins fort zu bewegen oder von ihm abgelenkt zu sein, und mit der Haltung von Bodhichitta, spreche voller Eifer viele Widmungsgebete; praktiziere das Siebenzweige-Opfer, um Verdienst anzusammeln, und meditiere über Vajrasattva, verbunden mit der Rezitation des Hundertsilben-Mantra. Da wir in all unseren vergangenen Leben von einem subtilen unterschwelligen Strom von Gedanken davongetragen wurden und dadurch Karma angesammelt haben, ist es dringend notwendig, all unsere Fehler zu bekennen und zu geloben, ihnen in Zukunft nicht mehr zu erliegen. Diese und andere, ähnliche Praktiken sind äußerst wichtig.
Aufgrund einer Bitte des eifrigen Praktizierenden Atsang, habe ich, der verwirrte, alte Bettler Gangshar, einen Schwall von Konzepten hervorgebracht und dies niedergeschrieben, so wie ein alter Hund, der goldene Anweisungen erbricht.
| Englische Übersetzung Sean Price 2015. Detusche Übersetzung Sushma Baumgartner 2025. Lektoriert von Karin Behrendt.
Bibliografie
Tibetische Ausgabe
gang shar dbang po. „bsgrub brtson dam pa a tshang ngor gdams pa'i man ngag gser skyugs ma“ in gsung 'bum/_gang shar dbang po. BDRC W2CZ6597. 1 Band Kathmandu: Thrangu Tashi Choling, 2008. Band 1: 103–107
Sekundärquellen
Khenchen Thrangu, Vivid Awareness: The Mind Instructions of Khenpo Gangshar, with commentary by Khenchen Thrangu Rinpoche. Boston, MA: Shambhala Publications, 2011.
Version: 1.0-20250410