Die Quintessenz des tiefgründigen Pfades
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Die Quintessenz des tiefgründigen Pfades
Ein kurzer Leitfaden zu den Stufen der Visualisierung für das Guru-Yoga der Anrufung in Sieben Zeilen: „Ein Schauer des Segens“
von Kyabje Dilgo Khyentse Rinpoche
Namo mahāgurubhyaḥ![1]
Die Weisheitsverkörperung des Wissens und der Liebe aller Buddhas und Bodhisattvas ist der Allwissende, der die drei Zeiten kennt, der majestätische Vajra-Guru, Herrscher von Oḍḍiyāna. Die an ihn gerichtete Anrufung in sieben Zeilen ist die Wurzel aller Vajra-Verse, ein für sich allein ausreichendes Gebet, das die Grundlage jeglicher Errungenschaften ist – der gewöhnlichen wie der außergewöhnlichen. Der Schauer des Segens ist ein Guru-Yoga, das auf diesem majestätischsten aller Gebete basiert. Hier werde ich die wichtigen Punkte erläutern, wie dies zu praktizieren ist.
Die Sādhana beginnt mit der Zufluchtnahme, dem Bodhicitta-Gelübde und den vier unermesslichen Gedanken. Danach sollte man den Ort, an dem man praktiziert – die äußere Umgebung mit all ihren Bewohnern – nicht mehr als gewöhnlich betrachten. Betrachte ihn stattdessen als einen reinen Bereich, einen unvorstellbaren Ort von großem Wunder. Dort, liegt der Dhanakośa-See vor dir, seine schönen grasbewachsenen Ufer sind voller Blumen, summender Bienen, zwitschernder Vögel und Rehe, die fröhliche Luftsprünge machen. Der See selbst ist wundersam, tief und weitläufig; sein göttliches Wasser besitzt acht Qualitäten. In seiner Mitte befindet sich ein Lotus; die Frucht, Blätter, Blütenblätter, der Stiel und die Staubgefäße bestehen ausschließlich aus kostbaren Edelsteinen. Auf seinem riesigen Pollenbett befindet sich eine Vollmondscheibe, auf der dein Wurzelguru sitzt, untrennbar von Guru Rinpoche, Vajra Tötreng Tsal. Er besitzt sämtliche Zeichen und Merkmale des Sambhogakāya, ausnahmslos, und ist von tiefblauer Farbe; seine rechte Hand hält einen Vajra an seinem Herzen, seine Linke hält in seinem Schoß eine Schädelschale, in der sich eine Langlebensvase sowie Nektar befinden. Er umarmt seine Gefährtin, Yeshe Tsogyal, die weiß ist. Sie ist nackt und trägt lediglich Knochenornamente aus Knochen und die fünf Mudrās. Geschmückt mit göttlicher Seide und Juwelen, sitzen sie in Vereinigung, inmitten einer weiten Ausdehnung von fünffarbigem Weisheitslicht. Allein der Gedanke an sie bewirkt, dass alle gewöhnlichen Wahrnehmungen und Gedanken aufhören; derart sind ihr Segen, ihre Strahlkraft und ihre Großartigkeit.
In dem Raum unmittelbar über ihnen sitzen Buddhas und Bodhisattvas, die mit Weisheitsnektar Ermächtigung gewähren und Blumen der Verheißung verstreuen. Im Raum um sie herum bringen die Wächter der Welt zusammen mit Myriaden von Göttinnen üppige Opfergaben dar – in Form von allen Reichtümern und Herrlichkeiten sowohl von dieser Welt wie dem friedlichen Zustand, der jenseits davon liegt. Sie sind umgeben von ozeangleichen Scharen von Wurzel- und Linien-Gurus, Yidam-Gottheiten der sechs Tantra-Klassen, Dākas und Dākinīs der drei Orte sowie den Dharma-Beschützern, alle versammelt wie Wolken und Regenbögen, die den gesamten Himmel füllen.
Stelle dir vor, dass dein Haupt-Guru und sein gesamtes Gefolge dich mitfühlend und mit liebevollen Augen ansehen. Erinnere dich daran, dass seineWeisheits-Aggregate jenseits von Geburt und Tod sind. Es ist ein Vajra-Kāya, der sich allein zu dem Zweck manifestiert, jenen in Schwierigkeiten zu helfen und Leidende zu beschützen, wo immer sie sich im gesamten Raum befinden mögen. Vergegenwärtige dir die außergewöhnlichen Qualitäten dieser einzigen Zuflucht mit außerordentlich starker Hingabe.
- Stelle dir so viele Formen deiner selbst vor, wie es Staubkörner im Universum gibt, und bringe [mit all diesen Körpern] Niederwerfungen dar.
- Mit deinem Körper, deinen Besitztümern und deinem über die drei Zeiten angesammelten Verdienst als Ursache, bringe die gesamte Welt dar, die du als rein visualisierst, als das Spiel der Weisheit von Samantabhadra.
- Führe dir alle negativen Handlungen vor Augen, die du seit anfangsloser Zeit begangen hast – jene, die von Natur aus negativ sind, sowie die Schwächungen und Übertretungen der Gelübde der individuellen Befreiung, des Bodhisattva-Verhaltens und der tantrischen Samayas – und mit einem intensiven Gefühlen der Reue bekenne sie alle und gelobe, davon in Zukunft Abstand zu nehmen.
- Die Qualitäten aller Buddhas, die so zahlreich sind wie die Unendlichkeit des Dharmadhātu, sind in Guru Rinpoche vervollkommnet. Deshalb, mit gläubigem Vertrauen, das aus der Reflexion über sein Leben und seine Befreiung entstanden ist, freue dich von ganzem Herzen über seine Bemühungen und strebe danach, zusammen mit allen anderen seinem Beispiel zu folgen.
- Flehe diesen außergewöhnlichen Beschützer – die Verkörperung aller Objekte der Zuflucht in Raum und Zeit – an, kontinuierlich als Objekt deines Glaubens und deiner Hingabe da zu bleiben.
- Erbitte die Aktivität des Vajra der Sprache, unaufhörlich in allen drei Zeiten, das Rad der tiefgründigen und umfassenden Dharmas kontinuierlich zu drehen, sowohl direkt als auch indirekt.
- Besiegele schließlich die Praxis, indem du die Tugend, die von allen Wesen in den drei Zeiten angesammelt wurde und wird, sammelst und sie künftigem Nutzen widmest – der Zähmung jener, die nicht gebändigt sind, so dass alle fühlenden Wesen Guru Rinpoche nacheifern und erwachen.
Bringe dieses sieben Zweige-Opfer als Mittel zur Ansammlung großen Verdienstes dar. Rezitiere den Praxistext, während du dir all dies vor Augen hältst.
Rufe Guru Rinpoche mit eins-gerichtetem gläubigen Vertrauen und Hingabe mittels des Sieben-Zeilen-Gebets an – die Wurzel aller enthüllten Schätze (Terma). In Guru Chöwangs Herzensschatz heißt es:
Ehre der Yidam-Gottheit! Vom Glück bedachte Männer und Frauen der Zukunft, Söhne und Töchter einer erleuchteten Familie: Wenn ihr euch mit der Bitte um Zuflucht an mich, den Guru von Orgyen, wendet, begebt euch an einen abgeschiedenen Ort und lasst ein tiefes Gefühl der Traurigkeit über die Vergänglichkeit sowie der Abscheu gegenüber Saṃsāra aufkommen – das ist von äußerster Wichtigkeit. Dann verlasst euch voll und ganz auf mich, aus tiefstem Herzen. Bedenkt, wie jede Art von Zuflucht, alle eure Hoffnungen, in mir, dem Guru von Orgyen, erfüllt und vollständig sind. Ob in Glück oder in Leid, habt vollkommenes Vertrauen und Zuversicht in mich. Es ist nicht nötig, Opfergaben oder Lobpreisungen zu machen; lasst alles Ansammeln sein; lasst einfach Hingabe euren Körper, eure Sprache und euren Geist durchfluten und betet – betet mit diesen sieben Zeilen:
Hūṃ. Im Nordwesten von Oḍḍiyāna
Im Herzen einer Lotosblume,
ausgestattet mit den herrlichsten Errungenschaften,
bist du bekannt als der Lotus-Geborene,
umgeben von vielen Scharen von Ḍākinīs.
Deinem Beispiel folgend,
bete ich zu dir: Komm und inspiriere mich mit deinem Segen!
Guru padma siddhi hūṃBete auf diese Weise, wieder und wieder.
Erzeuge ein Gefühl der Sehnsucht und des Verlangens, das so intensiv ist, dass dir Tränen in die Augen steigen. Wenn dich die Verzückung der Hingabe überwältigt, atme kräftig aus, und lasse dann alles so, wie es ist. Schaue klar und wach, konzentriert und frei von Ablenkung nach innen. Meine Kinder, die so beten, werden unweigerlich meinen Schutz genießen, denn sie werden die Söhne und Töchter der Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sein. Sie werden vollständige Ermächtigung in das Gewahrsein ihres eigenen erleuchteten Geistes erhalten. Ihr Samādhi wird so kraftvoll und stabil sein, dass Weisheit auf natürliche Weise erblühen und anwachsen wird.
Dieser große Segen, der von selbst entsteht, wird alles Leid vertreiben, das für dich heranreift oder von anderen erfahren wird. Wenn dein Geist transformiert ist, wird sich gleichzeitig auch die Wahrnehmung anderer ändern; du wirst erleuchtete Aktivitäten vollbringen, und alle edlen Qualitäten werden in dir vollständig sein.
Mögen meine Herzenssöhne und -töchter diesem außergewöhnlichen geschickten Mittel begegnen, das zur Dharmakāya-Verwirklichung meines erleuchteten Wesens heranreift und befreit.
Dies ist die tatsächliche Wurzel jedweder Praxis.
Um die Meditationen des geheimen Mantras – die Erzeugungs- und Vollendungs-Yogas – durchzuführen, sind, allgemein gesagt, die vorbereitenden Praktiken (Ngöndro) unerlässlich. In der Tat können die Qualitäten der Praxis, solange du dir die wesentlichen Punkte nicht gründlich zu Eigen gemacht hast, nahezu unmöglich in dir geboren werden, und selbst wenn dir eine kleine Erkenntnis aufdämmert, wird sie nicht viel bewirken. Deshalb ist es zwingend erforderlich, dich zu bemühen und diese grundlegenden Praktiken zu vollenden. Auf diese Weise werden die Erfahrungen der eigentlichen Praxis verhältnismäßig leicht gewonnen werden. Leider glauben heutzutage die meisten Menschen, dass es bei den vorbereitenden Praktiken lediglich um das Ansammeln geht – hunderttausend Wiederholungen der Liturgien für Zuflucht, Bodhicitta, Vajrasattva, Maṇḍala-Opfer und Guru-Yoga. Doch das ist nicht der Fall.
Die vorbereitenden Übungen machen den Geist der Praktizierenden offen und formbar. Die vier Gedanken, die den Geist auf die spirituelle Praxis ausrichten, lassen Entsagung aufkommen, die von großer Bedeutung ist. Jene menschliche Erfahrung, die die umfassendste und günstigste Bedingung für die Praxis darstellt, ist nicht leicht zu erlangen; sie war in der Vergangenheit nicht leicht zu erringen und wird auch in Zukunft nicht leicht zu finden sein. Doch wir haben sie jetzt irgendwie erlangt. Wir sollten dies schätzen, wie in dem Beispiel eines blinden, verarmten Menschen, dem alles Vortreffliche und alle Pracht der ganzen Welt zuteil wird. Seine Freude gliche die in einem Königreich, wenn ein geliebter und lang vermisster Prinz gefunden wird und zurückkehrt, um sein Volk zu führen, und er würde keinen einzigen Tag dieses neu gefundenen Glücks verschwenden. Das Leben zu verschwenden ist so, als würde man einen wertvollen Edelstein achtlos fallen lassen. Yama, der Herr des Todes, kann jeden Moment zuschlagen – der Zeitpunkt deines Todes ist nicht festgelegt. Sei dir bewusst, dass du jetzt die Wahl hast, und diese kostbare Gelegenheit zu vergeuden wird nur dazu führen, dass du es zutiefst bedauerst – denn zum Zeitpunkt des Todes ist es zu spät, um zu beginnen zu praktizieren.
Jetzt, wo du eine bequeme Matratze besitzt, auf der du liegen kannst, wo du jung bist und die Dinge hast, die du dir wünschst, – zu einer Zeit wie dieser, wenn alles versammelt ist, was du zum Praktizieren brauchst –, musst du dich der Praxis widmen. Denn, wenn es an der Zeit ist, diese sterbliche Hülle zu verlassen, kann kein noch so großer materieller Reichtum dein Ableben verhindern oder aufhalten; man kann nichts dagegen tun – als würde man von einer starken Strömung mitgerissen werden.
Wenn dich der Tod trifft, hast du keine Gelegenheit, über die tugendhaften Handlungen nachzudenken, die du hättest unternehmen sollen, oder über die negativen Handlungen, die du hättest vermeiden sollen; noch hast du die Freiheit zu entscheiden, wohin du gehen möchtest; es ist zu spät! Du hast keine andere Wahl, als dem Karma der kostbaren positiven wie negativen Handlungen zu folgen, die du verrichtet hast.
Negative Handlungen führen zu einem Fall in die niederen Daseinsbereiche, wo es schwierig ist, vom Dharma auch nur zu hören, geschweige denn ihn zu praktizieren. Ohne positive Handlungen auszuführen kann man unmöglich in den höheren Daseinsbereichen wiedergeboren werden. Aber ganz gleich, wo man geboren wird, sei es in den höheren oder den niederen Bereichen, es gibt dort nichts als Unzufriedenheit und Unglück. Eine einzige Ursache (Handlung bzw. Karma) wird ihre unvermeidliche Frucht hervorbringen – die Erfahrung von Leid. Dies ist der Fluch des Saṃsāra. Kontemplierst du darüber, sollte es dazu führen, dass du ausschließlich an Befreiung denkst.
Die Essenz dieser vier Gedanken, die den Geist der spirituellen Praxis zuwenden, besteht darin, einen tief empfundenen Überdruss gegenüber Saṃsāra zu erwecken. Wenn Traurigkeit und Enttäuschung aus der tiefen Kontemplation über die Ursachen und Wirkungen der befleckten Existenz aufwallen, lösen sie er eine zum Äußersten entschlossene Suche nach Befreiung aus.
Gemeinsam mit allen anderen fühlenden Wesen versinken wir im Ozean des Saṃsāra, in die Tiefe gezogen von destruktiven Emotionen und früheren Handlungen, dem Karma. Es ist klar, dass wir das Ufer der Befreiung nicht allein aus eigener Kraft erreichen werden – so ist unsere missliche Lage! Deshalb müssen wir mit dem starken Drang, frei zu sein, und der eins-gerichteten Entschlossenheit, allen anderen zu nützen, nach einer unfehlbaren Zuflucht suchen – etwas Seltenes und Erhabenes, auf das wir unser Vertrauen setzen können. Diese Zuflucht mag zwar über den Segen der Liebe, über erhabene Weisheit und über die Fähigkeit, diese in die Tat umzusetzen, verfügen – fehlen aber gläubiges Vertrauen und Hingabe, wird es keine tatsächliche Zuflucht sein.
Letztendlich sind die Drei Juwelen, die Drei Wurzeln usw. die Objekte der Zuflucht. Es gibt viele derartige Aufzählungen, doch sie alle sind im Wesentlichen im Einzigen Höchsten Buddha – Guru Rinpoche – vereint, der als Verkörperung aller Objekte der Zufluchts bekannt ist. Daher wird gesagt, dass es ausreichend ist, sich auf ihn allein zu konzentrieren.
Außerdem heißt es, dass die Objekte der Zuflucht auf viele verschiedene Arten erscheinen. Diese Erscheinungen sind jedoch einfach verschiedene Ausdrucksformen der einen Weisheit des erwachten Körpers, der erwachten Sprache und des erwachten Geistes, mit der sie in ihrer Essenz eins sind und von der sie nicht im Geringsten getrennt sind. Wenn man dies erkennen kann, ist die höchste Zuflucht darüber hinaus die Unteilbarkeit der drei Kāyas, – der Buddha, der im eigenen Geist verweilt. Der dem Mitgefühl entspringende Drang, Zuflucht in der manifesten Weisheit zu suchen, die frei von jeglicher Verdunklung ist, erfordert ein Verständnis dafür, wie der natürliche Zustand der Weisheit von jeglicher Verdunklung gereinigt werden kann. Darauf voll und ganz zu vertrauen bedeutet, zuversichtliches Vertrauen zu haben. Und um ein solches Vertrauen in die Objekte der Zuflucht zu entwickeln, ist es unerlässlich, ihre Qualitäten zu kennen.
Aus Padmasambhavas Chroniken:[2]
In diesem außergewöhnlichen Bereich, der von Buddha gezähmt wurde,
erscheint vor jedem Menschen eine Emanation des Lehrers.
Zuvor war ich Amitābha, der Herr des grenzenlosen Lichts,
auf dem Berg Potala der Beschützer, Avalokiteśvara,
und Padmasambhava, geboren aus einem Lotus auf dem Dhanakośa-See –
diese drei erscheinen auf verschiedene Weise, sind aber in Wirklichkeit unteilbar, ungetrennt.Im Bereich des Dharmadhātu Samantabhadra,
im Reinen Land der Dichten Anordnung der Große Vajradhara,
und am Vajra-Sitz der Mächtige Weise –
alle sind spontan vollendet und von mir,
Padmasambhava, untrennbar –
ein wundersamer Segen zum Nutzen aller.
Und:
Da ich die beiden Ansammlungen vollendet und alle Qualitäten vervollkommnet habe,
bin ich der Höchste unter den Erben der Buddhas
und meine Emanationen übersteigen die Vorstellungskraft.
Durch alle drei Zeiten hindurch – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft –
hissen sie beständig in den zehn Richtungen das Siegesbanner der Lehre der Buddhas .
Und:
Welche Gebeten auch immer du sprichst: Sie werden in Erfüllung gehen, denn wer immer
mich, Padmasambhava, anruft, wird jeden seiner Wünsche von mir gewährt bekommen.
Um Guru Rinpoche auf diese Weise anzurufen, visualisiere ihn, umgeben von seinem Gefolge, klar präsent im Raum vor dir. Dies zu tun bedeutet, sich der Praxis zu nähern. Und hingebungsvoll zu ihm zu beten, mit dem Wunsch, Körper, Sprache und Geist als die drei Vajras zu vollenden, ist die enge Annäherung. Diese beiden, Annäherung und enge Annäherung, bilden die Erzeugungsphase des Yoga.
Stelle dir vor, dass alle unendlichen Formen der Zufluchtsobjekte zu Guru Rinpoche hingezogen werden, von ihm angezogen wie Eisen von einem Magneten. Sie lösen sich in ihn auf, und er löst sich seinerseits in dich auf. Dies ist die Vollendung der Praxis. Die tatsächliche Verwirklichung der Untrennbarkeit des Gurus und deines Geistes – der eine Geschmack der Weisheit von Grund, Pfad und Frucht – ist die große Vollendung. Diese beiden, Vollendung und große Vollendung, machen die Vollendungsphase des Yogas aus.
Wenn du kontinuierlich auf diese Weise praktizierst, wird es so sein, wie es in der Vollständigen Versammlung der Acht Herukas steht:
Das Gebet, das für sich allein ausreicht, ist die Anrufung in sieben Zeilen; durch die Kraft dieses Gebetes wirst du das Antlitz des Gurus unmittelbar erblicken.
Rezitierst du dieses Gebet sieben oder einundzwanzig Tage lang ohne Unterbrechung,
werden Errungenschaften und Segen auf dich herabregnen,
und du wirst von jedem Hindernis befreit sein.
Und:
Angenommen, du rufst mich leidenschaftlich an, singst diese sieben Zeilen der flehentlichen Anrufung mit einer sehnsüchtigen Melodie, begleitet vom Schlag einer Schädeltrommel, dann werde ich, Padma von Oḍḍiyāna, vom Glorreichen Berg in Cāmara kommen, um dich zu segnen – unfähig zu widerstehen, wie eine Mutter, die ihr Kind weinen hört. Dies ist mein Versprechen; würde ich es brechen, würde ich in die tiefste Hölle stürzen.
Es ist von entscheidender Bedeutung, eine Überzeugung bezüglich dieser und der vielen anderen Versprechen zu entwickeln, die in Guru Rinpoches von Täuschung freien Vajra-Worten zu finden sind, und sie dir zutiefst zu Herzen zu nehmen. Ihn anzurufen wird definitiv großen Segen herbeibringen, da Guru Rinpoche uns niemals enttäuscht. Außerdem heißt es im Text für die Übertragung des Guru als Verkörperung aller Geheimnisse (Lama Sangdü):
Wenn du die beiden Ansammlungen schnell vollbringen und die Quintessenz der Praxis verwirklichen willst, dann ist die Meditation über den Guru den Schriften und Tantras des Vajra-Fahrzeugs des Geheimen Mantras des Resultats weit überlegen.
Und:
Mich zu vollenden heißt, alle Buddhas zu vollenden,
und mich zu sehen heißt, alle Buddhas zu sehen –
denn ich bin die Verkörperung aller Sugatas.
Wie es heißt, den Guru zu vollenden, bedeutet, alle Buddhas zu vollenden. Die Fähigkeit, Aktivitäten [wie die der Besänftigung] ohne Hindernis auszuführen, kommt weder durch klares Erscheinen und das Ausstrahlen und Wiederaufnehmen von Licht, wie es in der Erzeugungsphase gelehrt wird, noch durch das Auflodern und Tropfen, die durch das Beeinflussen des Wind-Geistes entstehen, wie in der Vollendungsphase. Hier besteht die Hauptpraxis einfach darin, die Aspekte des Sinnesbewusstseins sich selbst zu überlassen und sich frei von jeder Anstrengung auf den Guru zu konzentrieren. Lass alle anderen Gedanken beiseite und rufe ihn mit unerschütterlicher Zuversicht, Hingabe und Vertrauen eins-gerichtet an. Im Leitfaden zur Vollendung des Guru als Verkörperung aller Geheimnisse heißt es:
Zu allen Zeiten, ob du glücklich oder traurig bist, es dir gut oder schlecht geht, für die Lebenden oder die Verstorbenen, für dieses Leben oder für kommende Leben; zu allen Zeiten, für vorübergehenden oder letztendlichen Nutzen, in guten wie in schlechten Zeiten, wisse, dass es keine andere Hoffnung gibt als mich. Denke immer wieder an mich. Denke: Guru von Oḍḍiyāna, du weißt um mich! (Urgyen khyenno!)
Es ist genau so, wie hier gesagt. Der allwissende Mipham Rinpoche macht in seinem Kommentar ähnliche Ausführungen.[3]
Die Essenz aller Sūtras und Tantras kann anhand von Vorbereitung, eigentlicher Unterweisung und Abschluss erklärt werden. Und ganz gleich, auf welcher Stufe man sich befindet, es ist die Praxis des Guru-Yoga, die von den gelehrten und vollendeten Meistern der früheren und späteren Schulen des Buddhismus in Tibet immer wieder hochgehalten und betont wird. In der Tat hat die Guru-Yoga-Praxis das Potenzial, sämtliche Hindernisse für die Meditation zu beseitigen und sie erheblich zu verstärken.
Die Praxis des Guru-Yoga wird hoch gelobt und bringt zahllosen Nutzen mit sich. Wenn du dich zum Beispiel allein auf dieses stützt, ohne einem anderen Pfad zu folgen, wirst du imstande sein, die allgemeinen und höchsten Errungenschaften zu erlangen. Dementsprechend müssen wir uns auf das Guru-Yoga konzentrieren und es zum Kern unserer Praxis machen.
Es gibt viele Methoden für die Praxis des Guru-Yoga. Diese hier, Ein Schauer des Segens, wurde von Mipham Jampel Gyepe Dorje an der Quelle alles Glück Verheißenden, der höchst geheiligten Stätte von Rongme Karmo Taktsang in Kham geschrieben.[4] An diesem abgeschiedenen Ort erschien ihm eine Dākinī und gewährte ihm eine Übertragung der kurzen Übertragungslinie. Sie sang die Anrufung in sieben Zeilen in einer betörenden Melodie und schuf damit die glückverheißende Voraussetzung für dieses Werk, dessen Segen als unvergleichlich gilt.
Im Allgemeinen gibt es viele Ermächtigungen und Anleitungen für die Erzeugungs- und Vollendungspraktiken, die mit dem Sieben-Zeilen Gebet verbunden sind. Wir finden zum Beispiel an die fünfzig Methoden im Geistes-Schatz (gong ter) von Jamgön Kongtrul. In ähnlicher Weise gibt es in der Erklärung des allwissenden Mipham Rinpoche zum Sieben-Zeilen-Gebet, Weißer Lotus, damit verbundene Anleitungen für die beiden Phasen der Erzeugung und Vollendung sowie für die Große Vollkommenheit, die alle auf eine tiefgründige und umfassende Weise erklärt werden. Dies weist darauf hin, dass diese Praxis die eigentliche Essenz der Tiefgründigkeit ist und so äußerst kraftvollen Segen besitzt, dass sie von den in den Vajra-Tantras dargelegten geheimen Punkten nicht zu trennen ist. Wenn du nicht in der Lage bist, alle zuvor erwähnten Methoden zu praktizieren, wirst du sie, wenn du das Guru-Yoga zu deiner Hauptmeditation machst, alle definitiv vollenden.
Darüber hinaus kann das inbrünstige Anrufen mit diesen sieben Zeilen dazu verwendet werden, Hindernisse und Hemmnisse zu beseitigen. Stelle dir vor, dass Nektar vom Guru und den Gottheiten, die sich vor dir befinden, herabfließt und in deine drei Pforten eintritt und so alle Krankheiten, hinderlichen Geister, Hindernisse, Hemmnisse, Leiden und so weiter reinigt. Diese verlassen deine unteren Körperöffnungen in Form von Blut, Eiter, Insekten, unreinem Wasser und anderen schmutzigen Substanzen und strömen in den Mund von Yama, dem Hauptdämon und Herrn des Todes, und in die Münder all derer, bei denen du karmische Schulden hast. Denke am Ende der Rezitation, dass du vollständig gereinigt bist, wie Steinsalz, das sich in Wasser auflöst. Yama und deine karmischen Gläubiger sind vollständig befriedigt, Leid und Unheil sind beseitigt und deine Schulden sind vollständig beglichen. Danach meditiere, dass sich alles in Leerheit auflöst und du in der leuchtenden Form von Vajrasattva wiedererscheinst. Der Guru vor dir löst sich auf und wird von einem Geschmack mit dem unzerstörbaren Tropfen auf dem achtblättrigen Lotos deines Herzens. Ruhe in der so hervorgebrachten Erfahrung der Weisheit der großen Glückseligkeit und rezitiere das Hundert-Silben-Mantra so oft du kannst – zum Beispiel hunderttausendmal.
Bringe die reinen Bereiche der drei Kāyas mit dem folgenden dar:
Oṃ āḥ hūṃ
Der reine Bereich des Dharmakāya, der ausgeglichene Dharmadhātu;
der reine Bereich der fünf Familien des Sambhogakāya, seine unaufhörliche Eigen-Erscheinung,
und die reinen Bereiche des Nirmāṇakāya, eine alles durchdringende Anordnung –
ich bringe sie alle als Wolken dar, die mit den außerordentlich glückseligen Gaben von Samantabhadra angefüllt sind.
Oṃ ratna maṇḍala pūja megha samudra spharaṇa samaye āḥ hūṃ.
Wenn du dies ausführlicher machen möchtest, bringe das Siebenunddreißig-Punkte-Maṇḍala dar, und bringe auf diese Weise hunderttausende Maṇḍalas dar.
Es ist möglich, die fünfmal ‚Hunderttausend‘ auf Grundlage des Guru-Yoga Ein Schauer des Segens anzusammeln. Zusätzlich kann man das Sieben-Zeilen-Gebet auch rezitieren, während man hunderttausend körperliche Niederwerfungen ausführt.
Wie wir gesehen haben, ist es vollkommen in Ordnung, ausschließlich dieses Guru-Yoga zur Grundlage zu nehmen, um die Ansammlungen durchzuführen und fehlerhafte Taten zu reinigen – was ja die Essenz der vorbereitenden Praktiken (Ngöndro) ist.
Die Wurzel von Zuflucht und Bodhicitta ist der zuversichtliches Vertrauen [gegenüber den drei Seltenen und Erhabenen], und die Wurzel der Tugend – die Ansammlung von Verdienst oder die Reinigung von fehlerhaften Taten – besteht darin, der negativen Geisteshaltung der zwanghaften Selbstsucht zu entsagen. Dementsprechend motiviere dich zu Beginn deiner Praxis mit Gedanken des Altruismus und des Mitgefühls sowie der Entschlossenheit, allen Wesen im gesamten Raum zu nützen. Am Ende deiner Sitzung widme dein Verdienst diesem Bestreben. Ich denke, es spielt keine Rolle, ob du eine bestimmte Anzahl von Zufluchtsgebeten und Gelöbnissen, zu erwachen (Bodhicitta) rezitierst, wenn du auf diese Weise praktizierst.
Es ist unerlässlich zu wissen, wie du alle Anweisungen in einer einzigen Praxis zusammenbringen kannst. Wenn es dir nicht möglich ist, viele [unterschiedliche Praktiken] zu rezitieren, wende einfach die obigen Anweisungen auf deine tägliche Praxis an, denn sie beinhalten alle tiefgründigen Punkte der vorbereitenden Praktiken (Ngöndro). Sammle das Sieben-Zeilen-Gebet auf Basis dieses Guru-Yoga mindestens hunderttausend Mal an, denn dies wird dir den Segen zugänglich machen.
Jede der Kontemplationen der allgemeinen äußeren und inneren vorbereitenden Praktiken sollte gemäß ihrer jeweiligen Anweisungen praktiziert werden. Hier ist es jedoch wichtig, gemäß der Tradition des allwissenden und kostbaren Guru Mipham zu praktizieren. Sammle das Sieben-Zeilen-Gebet als Hauptteil des Yogas an und bringe an bestimmten Tagen, wie am zehnten Tag des zunehmenden und des abnehmenden Mondes ein Gaṇacakra-Festmahl dar. [An den Tagen, an denen] du kein Festmahl darbringst, visualisiere am Ende der Rezitationen den Empfang der vier Ermächtigungen und setze das Yoga fort, indem du deinen eigenen Geist mit dem des Gurus verschmelzen lässt; ihrer beider Untrennbarkeit ist die Soheit deiner Eigen-Natur. Diesen Vajra-Geist – den natürlichen Zustand, frei von allen Eigenschaften, Definitionen und von allem Ausdruck – aufrechtzuerhalten, ist das eigentliche, endgültige Guru-Yoga: dein eigenes natürliches Antlitz zu sehen und darin zu verweilen.
Wenn du dich, während du intensive Hingabe zum Guru kultivierst, schläfrig, dumpf, lethargisch oder traurig fühlst, stoße ein energisches „Ha!“ aus, lass dein innewohnendes Gewahrsein mit der äußeren Sphäre (Dhātu) verschmelzen und ruhe so; dies wird zu größerer Klarheit führen. Wenn dein Geist unruhig oder aufgewühlt ist, richte deinen Blick auf die Nasenspitze, stelle dir immer wieder klar deinen Guru vor usw. Sei dir stets deiner eigenen inneren Erfahrung gewahr und wende Methoden an, wann immer es nötig ist. Im Allgemeinen sind das Objekt deiner Anrufung, der vor dir visualisierte Guru, und derjenige, der intensive Hingabe und Glauben an ihn erzeugt, beide ein Spiel des Geistes. Betrachte sie nicht als gut oder schlecht, denn der Geist selbst ist jenseits von Geburt, Verweilen und Vergehen; komme darin zur Ruhe und schau es an, denn es ist deine eigene Natur: Gewahrsein und Leerheit vereint. Da es nichts gibt, woran man sich festhalten oder worauf man sich fixieren könnte, ist dies der nackte Zustand der Soheit, der endgültige Guru Rinpoche.
Im Tantra Weisheit, die aus den Tiefen vervollkommnet wurde[5], heißt es:
Gewahrsein, frei von Geist, ist der Keim aller Buddhas;
es sollte dein ständiger Begleiter sein.
Und dies ist aus dem Tantra Selbst-erstandenes Gewahrsein:[6]
Nicht-konzeptuelles Gewahrsein ist in seiner Essenz der Dharmakāya; die Klarheit des ungehinderten Gewahrseins der Sambhogakaya, und Gewahrsein, das als etwas erscheint, ist der Nirmāṇakāya.
Die Bedeutung solcher Aussagen wird hier in Bezug auf das Vajra-Guru-Mantra illustriert:
Oṃ: essentiell leer, āḥ: natürlich leuchtend, und hūṃ: alles durchdringendes Mitgefühl – diese drei Kāyas mögen begrifflich voneinander getrennt sein, aber in Wirklichkeit sind sie eine natürliche Einheit, Vajra. Der Guru und du selbst waren schon immer in eurer Essenz untrennbar; es ist einfach die natürliche Seinsweise der Dinge, die im Saṃsāra und Nirvāṇa alles übertrifft und sich über alles erhebt – das wahre Zeichen dafür, den Dharma vervollkommnet zu haben. Es besteht keine Notwendigkeit, sich auf Methoden zu verlassen, die auf Anstrengung basieren, da die verworrenen Erscheinungen ursprünglich rein sind, und da der resultierende Zustand spontan offen ist, padma. Selbst-existente Weisheit, die sich einfach im selbst-erstandenen und selbst-vollendeten Dhātu manifestiert, ist das siddhi. Darüber hinaus gibt es nichts; es ist nicht nötig, etwas Neues zu erlangen. Selbst-existente Weisheit kann in Grund, Pfad und Frucht unterteilt werden, aber das sind bloß Konzepte. Sie sind im Grunde untrennbar – das individuelle, offenbar gewordene Selbst-Gewahrsein, hūṃ.
Die tiefgründige Lebenskraft des Geheimen-Mantra-Vajrayāna dient dazu, die letztendliche Bedeutung des Geistes aufzuzeigen. Durch den Segen der Hingabe, die ständige Anrufung des relativen Gurus mit Merkmalen, wird das Antlitz des letztendlichen, inneren Gurus des eigenen Gewahrseins – das schon von Uranfang an immer bei dir war – unmittelbar gesehen. Diese beiden Praktiken sollten Hand in Hand durchgeführt werden, da die eine die andere unterstützt und zum Zustand der höchsten Vollendung führen wird.
Betrachte während der Nach-Meditation alle Erscheinungen als die Entfaltung des Guru und übe dich in reiner Wahrnehmung, in Mitgefühl und Bodhicitta. Zusätzlich zu dem, was oben angeführt wurde, heißt es im selben Text weiter:
Wenn du über Bodhicitta und Liebe meditierst, wird dein Geist gesegnet sein. Wenn du deinen Aufenthaltsort als Uḍḍiyāna betrachtest, wird er gesegnet sein. Wenn du dein Haus als einen unermesslichen Palast visualisierst, wird es gesegnet sein. Wenn du andere Wesen als göttlich betrachtest, werden sie als Weisheitsgottheiten gesegnet sein. Und wenn du alles, was du isst und trinkst, als amṛta [Nektar] betrachtest, wird es als Opfersubstanzen gesegnet sein. Dies sind die fünf Aspekte des Segens, obwohl ihr tatsächlicher Segen jenseits der Vorstellungskraft liegt.[7]
Bemühe dich in der wiederholten Rezitation der Praxis und rufe den Guru mit großer Hingabe ständig an/bete beständig mit großer Hingabe zum Guru, ohne die geringste Ablenkung; das ist die Annäherung. Wenn du fortfährst, wird ein Punkt kommen, an dem dir der Segen der Praxis näherkommt; das ist die enge Annäherung der Praxis. Nachdem du eindeutige Zeichen der tatsächlichen Vollendung gesehen hast – sei es in der Wirklichkeit, in meditativer Erfahrung oder in Träumen – werden deine Bemühungen der Anrufung die Vollendung bringen. Sobald die drei Pforten von Körper, Sprache und Geist gesegnet sind und man die Untrennbarkeit von Guru und dem eigenen Geistes erkennt, ist dies die große Vollendung.
Der Nutzen einer solchen Praxis ist in der Anleitung zur Erlangung des Guru dargelegt:
Ich, der Meister von Uḍḍiyāna, werde in jeder Region Tibets am zehnten Tag des Affenmonats im Jahr des Affen erscheinen; dies ist sicher, denn es ist mein Versprechen, mein Gelöbnis. Genauso werde ich am zehnten Tag eines jeden Monats kommen. Ihr könnt sicher sein, dass meine Emanationen Tibet und Kham erfüllen werden. Dies ist mein heiliges Versprechen, und ich, Padma, enttäusche niemanden.
Wenn du Hingabe zu mir hast, denke zu diesen Zeiten an mich und stelle als Opfergabe ein Torma aus köstlichen Substanzen her, inForm eines flammenden Juwels.
Rufe mich mit dem rhythmischen Schlag einer Schädeltrommel und dem sehnsüchtigen Gebet der Anrufung in sieben Zeilen an, und ich, der Meister von Uḍḍiyāna, werde vom glorreichen Berg in Cāmara kommen – unfähig zu widerstehen, wie eine Mutter, die das Weinen ihres geliebten Kindes hört. Dies ist mein Versprechen, und sollte ich es nicht erfüllen, erwartet mich die Hölle.
In Vidyādhara Terdak Lingpas Geschichte über seinen Schatz (Terma) des Zornvollen Guru lesen wir:
Wenn du besonderen Segen und schnelle Vollendung wünschst, bringe mir, Padma, Opfergaben dar und meditiere über mich. Und, so wie die Bedürfnisse derer, die zu einem wunscherfüllenden Edelstein beten, erfüllt werden, werden ozean-gleiche Scharen von Buddhas dich segnen und beschützen, als wärst du ihr einziges Kind. Dharma-Beschützer und Dākinīs werden Errungenschaften auf dich herabregnen lassen, die stolzen und hochmütigen weltlichen Götter werden dir zu Diensten stehen, und deine spontanen Aktivitäten werden dazu dienen, alle Wesen zu befreien. All dieser Nutzen kommt dadurch, dass ihr euch auf mich verlasst. Werft also eure Zweifel ab und verdoppelt eure Anstrengungen in der Praxis. Lieber König und treue Untertanen, die hier versammelt sind, wenn ich nicht die Wahrheit spreche, ist Padma nicht viel wert.
Und:[8]
Dem König und dem Hof, meinen Schülern in Tibet,
verkünde ich, dass ich am zehnten Tag des zunehmenden Mondes nach Tibet kommen werde;
und Padmasambhava lügt nicht.
Und:
Wenn ihr mich mit den sieben Zeilen anruft,
wird der Segen in einem unendlichen Strom zu euch fließen.
Wenn mein Segen auf euch fällt, wird eure Meditation lodern;
wisset, dass dies ein Zeichen meiner Gegenwart ist.
Und:
In Wahrheit komme und gehe ich nicht; ihr werdet mich aber nur dann sehen, wenn euer Karma und eure Verdunklungen gereinigt sind. Gemäß der Gebete und der relativen Wahrnehmung derer, die geschult werden müssen, halte ich mich im Land der Rakṣasas auf. Doch der Strom des Mitgefühls bleibt ununterbrochen, und für diejenigen, die Vertrauen zu mir haben, bin ich ständig vor ihnen.
Und:
Rufe mich am zehnten Tag des Monats inbrünstig an.
Ich weiß, dass du ins Saṃsāra gefallen bist,
daher überlasse mir deinen Geist, dein Herz und dein ganzes Sein!
Wie diese und andere Aussagen deutlich machen, wird das Praktizieren mit unaufhörlicher Hingabe die gewöhnlichen und die höchsten Errungenschaften hervorbringen – das ist sicher. Da diese Praxis, die bequem, leicht anwendbar und bedeutungsvoll ist, die Essenz einer kostbaren menschlichen Geburt als Dharma-Praktizierender hervorbringt, ist diese Unterweisung von entscheidender Bedeutung.
In der südlichen Region von Bhutan sagte mir Thinley Dorje, ein Minister des Dharma-Königs, dessen Geist reich an heilsamen Gedanken ist, dass er die Quintessenz der Kernunterweisungen praktizieren möchte, und bat um eine leichte und unkomplizierte Praxis. Dementsprechend schrieb ich, der Kusali Tashi Paljor – der ständig darum betet, dem Dharma-König von Uḍḍiyāna in diesem und allen zukünftigen Leben zu folgen und zu dienen, und der durch die Güte des Guru in seinem Verfolgen des Pfades zur Befreiung voller Hoffnung ist – die exakten Anleitungen nieder, die ich von Shechens Herrn der hundert Buddha-Familienund seinen beiden spirituellen Erben erhalten habe.[9] Es wurde in der Festung des tiefgründigen Geheimnisses (Sang Zab Dzong) niedergeschrieben, und der Schreiber war der tantrische Mönch Jigme Kalsang. Möge dies für uns alle, repräsentiert durch denjenigen, der die Bitte geäußert hat, nichts anderes sein als die Ursache dafür, uns mit dem gesegneten Nektar der allwissenden Weisheit des Meisters, des zweiten Buddha, zu verbinden.
Sarva Maṅgalam. Tugend.
| [Ins Englische] Übersetzt von Sean Price, 2021. Übersetzung ins Deutsche von Robert Jaroslawski am 27. Mai 2021 anlässlich des Online Retreats zur Praxis von „Ein Schauer des Segens“. Überarbeitet von Karin Behrendt, Oktober 2021.
Literaturverzeichnis
Tibetische Ausgabe:
bkra shis dpal 'byor. "tshig bdun bla ma'i rnal 'byor byin rlabs char 'bebs kyi dmigs khrid nyung bsdus zab lam bcud dril/" in gsung 'bum/_rab gsal zla ba. TBRC W21809. 25 Bände. Delhi: Shechen Publications, 1994. http://tbrc.org/link?RID=W21809 Vol. 15: 300-311
Sekundärquellen
Dilgo Khyentse. Lion of Speech: The Life of Mipham Rinpoche. Übersetzt [ins Englische] von der Padmakara Translation Group. Boulder, CO: Shambhala Publications, 2020
Jamgön Mipham. White Lotus: An Explanation of the Seven-Line Prayer to Guru Padmasambhava. Übersetzt [ins Englische] von der Padmakara Translation Group. Boston & London: Shambhala Publications, 2007.
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Die Sanskrit-Übersetzung lautet: „Ehre dem großen Guru!“ ↩
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Padma bka' thang, ein Terma von Orgyen Lingpa (geb. 1323). ↩
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d.h., Weißer Lotus. ↩
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rong me dkar mo stag tshang. Ein Ort nordöstlich des Dzongsar-Klosters, wo Mipham Rinpoche viele Jahre im Retreat verbrachte. Siehe Lion of Speech, S. 62-65. ↩
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ye shes gting nas rdzogs pa'i rgyud, ein Dzogchen-Tantra. ↩
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rig pa rang shar, ein Dzogchen-Tantra. ↩
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Der Satz vor dem Zitat, der beginnt: „Während der Nachmeditation...“ und das Zitat selbst sind dem Weißen Lotus entnommen. Das Zitat stammt aus Der Kristallberg, das Körper-Tantra des Lama Gongdü-Zyklus‘ (bla ma dgongs 'dus sku rgyud shel gyi ri bo), einem Terma von Sangye Lingpa. ↩
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Die folgenden Zitate sind aus Ratna Lingpas Schatz, Die Anrufung des zehnten Tages, entnommen ↩
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Laut Shechen Rabjam Rinpoche und Khenpo Gutse (von Shechen, Kham) ist dieser Hinweis auf drei Meister – ein Vater und zwei spirituelle Kinder – aus Shechen keine übliche Bezeichnung. Es bezieht sich jedoch wahrscheinlich auf die drei Meister von Shechen, von denen Kyabje Dilgo Khyentse Rinpoche Belehrungen erhielt: der Vater, Herr der hundert Buddha-Familien, ist Shechen Gyaltsab, Gyurme Pema Namgyal (1871-1926), und die spirituellen Kinder, Shechen Kongtrul, Pema Drime Lekpe Lodrö (1901-ca. 1960) und der Sechste Shechen Rabjam, Gyurme Kunzang Tenpe Nyima (1910-1960). ↩